Vorbehaltsnießbrauch und steuerrechtliche Folgen: Der vorliegende Beitrag möchte über die Gestaltungsmöglichkeiten von Nießbrauchsvereinbarungen informieren!
I. Urteil des Bundesfinanzhofes vom 29.01.2025, X R 35/19
Der Bundesfinanzhof hat sich in seinem Urteil vom 29.01.2025, veröffentlicht am 17.04.2025, mit der Frage beschäftigt, ob eine Übertragung von Wirtschaftsgütern eines Gewerbebetriebs unter Vorbehaltsnießbrauch als unentgeltliche Übertragung im Sinne des § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG anzusehen ist.
Dem Urteil lag, verkürzt dargestellt, folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger hatte mit Übergabevertrag vom 15.12.1995 von seiner Mutter im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ein gewerbliches Einzelunternehmen, X-Einrichtung, übertragen bekommen. Allerdings behielt sich seine Mutter jedoch einen lebenslangen Nießbrauch vor, sog. Vorbehaltsnießbrauch. Sie führte die gewerbliche Tätigkeit eigenständig fort. Erst im Jahr 2002 verzichtete die Mutter des Klägers auf ihr Nießbrauchsrecht, wodurch der Kläger die aktive Betriebsführung übernahm sowie eine Eröffnungsbilanz zu Buchwerten zum 01.01.2003 erstellte. Zusätzlich war der Kläger Gesellschafter-Geschäftsführer der Vermittlungs-GmbH – die Vermittlungs-GmbH stand in Vertragsbeziehungen zur X-Einrichtung.
Sowohl das Finanzamt als auch der Kläger waren sich einig, dass der Betrieb erst mit Verzicht auf das Nießbrauchsrecht auf den Kläger übergegangen sei. Uneinigkeit entstand dann später im Hinblick auf die steuerliche Behandlung von Forderungen, die die Mutter des Klägers gegenüber der GmbH hatte. Die Mutter des Klägers hatte der GmbH seinerzeit Forderungen erlassen, der Forderungsverzicht wurde durch die Betriebsprüfung jedoch nicht anerkannt. Das Finanzamt wollte eine Wertaufholung dieser Forderungen im Jahr 2004 vornehmen, was der Kläger bestritt. Der Kläger argumentierte, dass die Wertaufholung der Forderungen bereits in den Jahren 2000 – 2002 hätte stattfinden müssen, diese Forderungen nicht seinem Betriebsvermögen zuzuordnen seien und somit auch keine Grundlage für eine gewinnerhöhende Wertaufholung bestehen würde. Das Finanzgericht Münster vertrat die Rechtsauffassung des Klägers. Gegen die Entscheidung des Finanzgerichts Münster legte das Finanzamt jedoch Revision ein, da es der Auffassung war, dass eine unentgeltliche Betriebsübertragung zu Buchwerten nach § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG im Jahr 2003 stattgefunden habe und die Forderungen in das Betriebsvermögen des Klägers eingelegt worden sind.
Der Bundesfinanzhof entschied zugunsten des Finanzamtes.
Die vier Kernaussagen des Bundesfinanzhofes:
1. Werden die Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens eines Gewerbebetriebs unter Vorbehaltsnießbrauch übertragen, führt der Vorbehaltsnießbraucher jedoch seine bisherige gewerbliche Tätigkeit fort, liegt darin keine unentgeltliche Übertragung des Gewerbebetriebs im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) a.F./seit 1999 § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Das gilt für einen aktiven wie für einen verpachteten Gewerbebetrieb (Fortführung des Senatsurteils vom 25.01.2017 – X R 59/14, BFHE 257, 227, BStBl II 2019, 730).
2. Die unter Vorbehaltsnießbrauch übertragenen Wirtschaftsgüter werden Privatvermögen des Erwerbers.
3. Erlischt zu einem späteren Zeitpunkt der Nießbrauch infolge eines unentgeltlichen Vorgangs, geht der in der Person des Vorbehaltsnießbrauchers bestehende Gewerbebetrieb nach § 7 Abs. 1 EStDV a.F./§ 6 Abs. 3 Satz 1 EStG auf den Erwerber über, wenn dieser die betriebliche Tätigkeit des Vorbehaltsnießbrauchers fortführt (Bestätigung der Rechtsprechung, vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 08.08.2024 – IV R 1/20, BStBl II 2025, 122, Rz 40).
4. Die beim Erlöschen des Nießbrauchs im Betriebsvermögen des Nießbrauchers befindlichen Wirtschaftsgüter werden beim Erwerber zu Buchwerten fortgeführt. Die bereits im Privatvermögen des Erwerbers befindlichen nießbrauchsbelasteten Wirtschaftsgüter werden mit dem Teilwert in das Betriebsvermögen des Erwerbers eingelegt.
II. Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 S. 1 EStG
Die Regelung des § 6 Abs. 3 S. 1 EStG erfasst nur betriebliche Einheiten, d.h. sie erfasst nur die Übertragung eines Betriebes, Teilbetriebes oder Mitunternehmeranteils, nicht jedoch die der Einzelwirtschaftsgüter. Es ist für die Frage der Anwendbarkeit des § 6 Abs. 3 S. 1 EStG unerheblich, ob ein aktiv betriebener oder ein verpachteter und insofern ruhender Betrieb unter Vorbehaltsnießbrauch übertragen wird.
Achtung: Die Übertragung eines Gewerbebetriebs setzt voraus, dass der Gewerbetreibende die im Rahmen des übertragenen Betriebs ausgeübte gewerbliche Tätigkeit aufgibt. Der Begriff des (Gewerbe-)Betriebs ist insoweit nicht allein gegenstands-, sondern auch tätigkeitsbezogen zu verstehen. Nur so ist sichergestellt, dass nicht lediglich einzelne Wirtschaftsgüter des Unternehmens, also Betriebsmittel, übertragen werden. Auch ein verpachteter (ruhender) und noch nicht aufgegebener Betrieb kann Übertragungsgegenstand des § 6 Abs. 3 S. 1 EStG sein.
Die wesentlichen Grundlagen der betrieblichen Einheit werden gewissermaßen durch die gewerbliche Tätigkeit des Betriebsinhabers zusammengehalten, Dies ist nur gewährleistet, wenn die Tätigkeit gleichzeitig von dem Übertragenden aufgegeben wird und somit auf den Erwerber übergeht. Daher ist Voraussetzung für eine ertragsteuerneutrale Übertragung, dass mit der Übertragung der wesentlichen Betriebsgrundlagen auch insoweit die gewerbliche Tätigkeit des Überträgers aufgegeben wird und der Übernehmer die Tätigkeit fortführt.
Achtung: Wird ein Betrieb unentgeltlich übertragen, was in der hier diskutierten BFH-Entscheidung der Fall ist, sind bei der Ermittlung des Gewinns des bisherigen Betriebsinhabers die Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen, die sich nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung ergeben, § 6 Abs. 3 S. 1 EStG. Der Rechtsnachfolger ist an diese Werte gebunden, § 7 Abs. 1 S. 2 EStG. Eine Entnahme oder Betriebsaufgabe liegen in diesem Fall nicht vor.
III. Die Übertragung eines Gewerbebetriebes unter Nießbrauchsvorbehalt
Wird ein Betrieb unentgeltlich gegen Nießbrauchsvorbehalt übertragen, hat das nicht zur Folge, dass dem Nießbraucher das wirtschaftliche Eigentum verbleibt. Vielmehr wird das Nutzungsrecht vom Eigentum abgetrennt, das beim Übertragenden verbleibt. Der Übernehmer wird Eigentümer des Nießbrauchsgegenstandes, allerdings ohne das Nutzungsrecht, das beim ursprünglichen Eigentümer verbleibt.
Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 S. 1 EStG sind nicht erfüllt, wenn ein Gewerbebetrieb unter Vorbehalt des Nießbrauchs unentgeltlich übertragen wird. Das gilt auch dann, wenn der Gewerbebetrieb in Teilbetriebe gegliedert ist und Gegenstand der unentgeltlichen Übertragung gegen Nießbrauchsvorbehalt ein Teilbetrieb ist. Anders dürfte jedoch die Rechtslage sein, wenn Gegenstand der Übertragung der ganze Betrieb ist, der Nießbrauchsvorbehalt sich nur auf einen Teilbetrieb bezieht. Der ganze Betrieb ist in diesem Fall auf den Erwerber übergegangen, einschließlich des mit dem Nießbrauch belasteten Teilbetriebes. Dieser geht als gewillkürtes Betriebsvermögen auf den Erwerber über.
Achtung: § 6 Abs. 3 S. 1 EStG greift nach der vorliegend diskutierten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes nicht ein, wenn es an der Einstellung der bisherigen gewerblichen Tätigkeit durch den Übertragenden fehlt.
Folge hiervon ist, dass der Übertragende (Vorbehaltsnießbraucher) die bisher betrieblich genutzten Wirtschaftsgüter entnimmt und in das Privatvermögen überführt, aber weiterhin gewerbliche Verpachtungseinkünfte erzielt.
In der vorliegend diskutierten Entscheidung des Bundesfinanzhofes wird erneut klargestellt, dass die Voraussetzungen für eine steuerlich begünstigte unentgeltliche Übertragung im Zusammenhang mit dem bestehenden Vorbehaltsnießbrauch nicht erfüllt sind, wenn die bisherige Tätigkeit durch den Übertragenden nicht eingestellt wurde. Als Resultat kommt es zu einer Überführung der übertragenen, bisher betrieblich genutzten Wirtschaftsgüter in das Privatvermögen des Erwerbers und einer Einlage in das entsprechende Betriebsvermögen.
Lösungsvorschlag: Existiert jedoch hinter dem Nießbrauchsvorbehalt zwischen Nießbraucher und Eigner des Betriebes ein sog. „verdecktes Gesellschaftsverhältnis“, sind Nießbraucher und Eigner des Betriebsvermögens rechtlich als Mitunternehmer zu behandeln, wobei der Betriebsvermögeneigner die in seinem Eigentum befindlichen Wirtschaftsgüter der verdeckten Mitunternehmerschaft (Innengesellschaft) als Sonderbetriebsvermögen überlässt.
Dies wäre der Fall, wenn man in der Nießbrauchsvereinbarung die Rechtsstellung des Eigentümers z.B. auf die eines Gesellschafters oder eines Kommanditisten (GmbH & Co. KG) angehoben wird, d.h. konkret, wenn der Vorbehaltsnießbraucher für alle wesentlichen Maßnahmen, die über die übliche Geschäftsführung hinausgehen der Zustimmung des mit dem Nießbrauch belasteten Eigentümers bedarf.
IV. Zusammenfassung (unter Berücksichtigung des BFH-Urteils vom 29.01.2025, X R 35/19)
Überträgt ein bisheriger Einzelunternehmer seinen Betrieb an einen Dritten unter Vorbehalt des Unternehmensnießbrauches, bleibt er weiterhin Gewerbetreibender. Die wesentlichen Grundlagen seines Betriebes werden jedoch zum Teilwert ins Privatvermögen übertragen, mit entsprechenden steuerlichen Folgen. Im Zeitpunkt des Erlöschens des Nießbrauchs werden sie zum Teilwert wieder eingelegt.
Wie Sie sehen, kann das Nießbrauchrecht ein sinnvolles, aber auch komplexes Instrument der Steuergestaltung darstellen. Es ermöglicht eine Trennung von Eigentum und Nutzungsrecht. Wir unterstützen Sie bei der Gestaltung von Nießbrauchsvereinbarungen und bei der Frage, in welchen Fällen der Nießbrauch tatsächlich in der Ausgestaltung als Vorbehaltsnießbrauch steuerrechtlich vorteilhaft sein kann und welche Alternativen denkbar wären.
Nutzen Sie für Anfragen unser Kontaktformular