Bundesfinanzhof zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft – mittelbare Leistungsbeziehungen ausreichend

BFH, Urteil vom 11.05.2023, V R 28/20: Der Bundesfinanzhof hat am 14.09.2023 eine weitere wichtige Entscheidung zur Organschaft veröffentlicht:

Die wirtschaftliche Eingliederung kann nicht nur aufgrund unmittelbarer Beziehungen zum Organträger bestehen, sondern auch auf der Verflechtung zwischen den Unternehmensbereichen verschiedener Organgesellschaften beruhen, BFH, Urteil vom 11.05.2023, V R 28/20.

I.
Gesetzliche Regelung

Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG bedarf es für eine Organschaft zwischen zwei Unternehmen, der finanziellen, organisatorischen und wirtschaftlichen Eingliederung des Unternehmens der Organgesellschaft in das Unternehmen des Organträgers.

II.
Hintergrund zum Urteil des BFH zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft

Gegenstand des Unternehmens der Klägerin, einer GmbH, deren Alleingesellschafter und alleiniger Geschäftsführer G war, war die Vermietung und Verwaltung von Wohn- und Gewerbeimmobilien. G führte ein Einzelunternehmen, dessen Gegenstand der Erwerb von Immobiliarvermögen war. Die Klägerin war Teil der „V Gruppe“, der mehrere Kapitalgesellschaften sowie eine Kommanditgesellschaft angehörten und die bis Ende 2011 Dienstleistungen im Immobilienbereich anbot. Hierzu gehörten neben der Sanierung und dem Neubau von Wohn- und Geschäftshäusern die Finanzierungsberatung von Anlegern und Eigentümern, die Vermittlung, Vermarktung, Vermietung und Verwaltung von Objekten sowie die Projektentwicklung, wobei jede Gesellschaft ihren eigenen Geschäftsbereich hatte. Die KG trat als Spitze der Unternehmensgruppe auf. Zur Geschäftstätigkeit der Klägerin gehörte insbesondere die Verwaltung von Mieteinheiten, die sich auf 12 mit Wohnhäusern bebauten Grundstücken befanden, die im Eigentum des G standen. Zudem mietete die Klägerin Büroräume von einer GbR, an der G zu 95 Prozent beteiligt war.

Im Jahr 2014 beantragte die Klägerin die Herabsetzung der Umsatzsteuer für die Streitjahre auf jeweils 0,00 EUR. Sie berief sich darauf, eine Organgesellschaft des G als Organträger gewesen zu sein. Die finanzielle und organisatorische Eingliederung ergebe sich aus der Eigenschaft des G als ihr geschäftsführender Alleingesellschafter. Ihre wirtschaftliche Eingliederung beruhe darauf, dass die GbR ihr Büroräume vermiete.

Das Finanzamt und das Sächsische Finanzgericht verneinten die wirtschaftliche Eingliederung – sowohl Einspruch als auch die Klage blieben ohne Erfolg. 

Auf die Revision der Klägerin wurde das Urteil des Sächsischen Finanzgerichtes aufgehoben.

III.
Entscheidung des BFH zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft

Die Revision der Klägerin führte zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung an das Sächsische Finanzgericht. 

Das Sächsische Finanzgericht habe rechtsfehlerhaft das Bestehen einer Organschaft i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG verneint. Das Finanzgericht habe insbesondere nicht beachtet, dass die Klägerin aufgrund von Verflechtungen mit anderen Gesellschaften der „V Gruppe“, die selbst Organgesellschaften des G sein könnten, in das Unternehmen des G wirtschaftlich eingegliedert sein könne.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes setzt die wirtschaftliche Eingliederung bei einer Organschaft voraus, dass die Unternehmensbereiche von Organträger und Organgesellschaft miteinander verflochten sind.

Auf die Revision der Klägerin wurde das Urteil des Sächsischen Finanzgerichtes aufgehoben.

BFH: „Bei einer deutlichen Ausprägung der finanziellen und organisatorischen Eingliederung ist es dabei unschädlich, wenn die wirtschaftliche Eingliederung weniger deutlich zu Tage tritt. Es genügt dann, dass zwischen der Organgesellschaft und dem Unternehmen des Organträgers ein vernünftiger wirtschaftlicher Zusammenhang im Sinne einer wirtschaftlichen Einheit, Kooperation oder Verflechtung vorhanden ist. Die Tätigkeiten von Organträger und Organgesellschaft müssen lediglich aufeinander abgestimmt sein und sich dabei fördern und ergänzen. Hierfür reicht das Bestehen von mehr als nur unerheblichen Beziehungen zwischen Organträger und Organgesellschaft aus, ohne dass die Organgesellschaft wirtschaftlich vom Organträger abhängig zu sein braucht.“

In diesem Zusammenhang entschied der Bundesfinanzhof am 11.05.2023, dass eine wirtschaftliche Eingliederung als Voraussetzung für eine umsatzsteuerliche Organschaft auch durch mittelbare Leistungsbeziehungen begründet werden kann.

Sofern die Hausverwaltungsdienste wirtschaftlich bedeutend für die Klägerin sind, kann sich hieraus die wirtschaftliche Eingliederung ergeben.

Sofern die Gesellschaften der „V-Gruppe“ zum Organkreis gehören, könnte auch durch Leistungen der Klägerin an diese Gesellschaften eine wirtschaftliche Eingliederung entstehen. Dies wird das Sächsische Finanzgericht im zweiten Rechtsgang prüfen.

IV.
Umsatzsteuerrechtliche Organschaft – welche Gestaltungsmöglichkeiten ergeben sich aus dem BFH-Urteil vom 11.05.2023?

In allen Fällen, in denen die Umsatzsteuer-Organschaft daran gescheitert ist, dass die wirtschaftliche Eingliederung nur aufgrund unmittelbarer Beziehungen zum Organträger bestehen kann, können sich Unternehmen jetzt darauf berufen, dass eine Umsatzsteuer-Organschaft besteht, sofern die Dienste für die betroffenen Unternehmen bedeutend sind, und die Leistungen innerhalb des Organkreises nicht der Umsatzsteuer unterliegen. Dies hat enorme praktische Relevanz, insbesondere im Immobilienbereich. 

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Kommanditgesellschaft – Ausschließung eines Gesellschafters aus wichtigem Grund

Das Oberlandesgericht Hamm hat mit dem Urteil vom 19.06.2023, 8 U 21/23 eine wichtige Entscheidung zum Ausschluss eines Gesellschafters aus wichtigem Grund getroffen.

Das Gericht entschied zugunsten der Gesellschaft und bestätigte den Ausschluss des Kommanditisten aus wichtigem Grund.

Im Wesentlichen:

I.
Einstweilige Verfügung

Der durch Mehrheitsbeschluss aus einer Kommanditgesellschaft ausgeschlossene Kommanditist kann grundsätzlich im Wege der einstweiligen Verfügung verlangen, bis zur Entscheidung in der Hauptsache weiterhin als Gesellschafter behandelt zu werden.

II.
Ortswahl – Gesellschafterversammlung

Die Wahl des Ortes für die Durchführung der Gesellschafterversammlung einer Kommanditgesellschaft darf nicht willkürlich oder schikanös für einen Gesellschafter sein.

Ein solcher Fall liegt nicht vor, wenn als Ort zwar ein Konferenzraum in Geschäftsräumen ausgewählt wird, die einer Seite der zerstrittenen Gesellschafter zuzuordnen sind, dies aber in der Vergangenheit wiederholt praktiziert wurde und hierfür sachliche Gründe vorliegen.

III. Wichtiger Grund

Zum wichtigen Grund, der die Ausschließung eines Gesellschafters aus einer Kommanditgesellschaft rechtfertigen kann, führt der Senat aus, der wichtige Grund liege in diesem Fall darin, dass der Kommanditist wesentliche Verpflichtungen aus dem Gesellschaftsvertrag verletzte. Ein Zusammenarbeiten auf Gesellschafterebene sei aufgrund der Handlungen des Kommanditisten unzumutbar. Die Verhaltensweise des ausgeschlossenen Kommanditisten führe dazu, dass die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft behindert sei, dies führe zu einem nachhaltigen Schaden – bei der Gesellschaft treffen die Kommanditisten durch Gesellschafterbeschlüsse alle wesentlichen Entscheidungen, die Komplementärin verfügt über kein Stimmrecht. Meinungsverschiedenheiten und Vertrauensverlust im Kreis der Kommanditisten haben daher erhebliche Auswirkungen auf die Tätigkeit der Gesellschaft. Des Weiteren verfüge jeder Stamm über eine Sperrminorität und könne daher alle anstehenden Entscheidungen blockieren. Aus diesem Grund sei in diesem Fall keine erhöhten Anforderungen an die Ausschließung eines Kommanditisten zu stellen.

Allerdings betonte der Senat, dass der Ausschluss aus wichtigem Grund nur als letztes Mittel in Betracht gezogen werden sollte und dass eine solche Entscheidung immer im Einzelfall getroffen werden müsse. Maßgeblich sei die das Verhältnis der Gesellschafter bestimmende Realstruktur der konkreten Gesellschaft und die Möglichkeit der Einflussnahme des Gesellschafters. Es müsse geprüft werden, inwiefern sich die Ausschließungsgründe auf die Zusammenarbeit im Gesellschafterkreis auswirken, ob der Ausschluss tatsächlich notwendig sei, um das Interesse der Gesellschaft zu wahren.

Insgesamt zeigt das Urteil des OLG Hamm, dass Meinungsverschiedenheiten und Vertrauensverlust im Kreis der Kommanditisten einen wichtigen Grund darstellen können, der den Ausschluss eines Kommanditisten rechtfertigt.

Anmerkung zu: Kommanditgesellschaft – Ausschließung eines Gesellschafters aus wichtigem Grund

Nach § 140 HGB kann der Ausschluss eines Gesellschafters durch Klageerhebung und auf Antrag der Gesellschafter betrieben werden, wenn ein Grund eintritt, der nach § 133 HGB üblicherweise die Klage auf Auflösung der Gesellschaft begründet hätte. Die Schädigung der Gesellschaft durch einen Gesellschafter ist grundsätzlich als wichtiger Grund i.S.d. § 133 HGB zu sehen. § 161 Abs. 2 HGB findet auch auf die Kommanditgesellschaft Anwendung.

Der Ausschluss eines Gesellschafters führt unweigerlich zu Konflikten. Wir erklären, wie Sie rechtssicher vorgehen.

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Zukunftsfinanzierungsgesetz – steuerrechtliche Erleichterungen für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen

Das Bundeskabinett hat am 16.08.2023 den Entwurf zum Zukunftsfinanzierungsgesetz beschlossen. Mit dem Gesetz möchte die Regierung umfangreiche Maßnahmen zusammenführen und Regelungen aus dem Steuerrecht, Gesellschaftsrecht und Kapitalmarktrecht bündeln. Insbesondere Start-ups sowie kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) solle der Zugang zum Kapitalmarkt und die Aufnahme von Eigenkapital erleichtert werden.

Das geplante Gesetz verfolgt hierbei einen steuerrechtlich interessanten Ansatz: kleinen und mittleren Unternehmen soll es erleichtert werden, Mitarbeiter zu
gewinnen und sich im internationalen Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte zu behaupten. Darüber hinaus soll das Dry-Income-Problem für die Arbeitnehmer
entsprechend entschärft werden.

Aus steuerlicher Sicht sind dem Entwurf insbesondere folgende Änderungen zu entnehmen, die am 01.01.2024 in Kraft treten sollen: Weiterlesen